Schüler schlüpfen in Forscher-Rolle

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Als Virologen mussten die Oberstufler bei einem Simulationsprojekt der Uni ein neuartiges Virus erforschen

Schüler nehmen für zwei Tage die Rolle von Wissenschaftlern ein: Am Uni-Institut für Virologie fand erneut die „Marphili“-Simulation statt.

Marburg.
Wir schreiben das Jahr 2020. Das neuartige „Marphili-Virus“ ist auf den Philippinen aufgetreten. Es gab bisher schon 1 372 Erkrankte, wovon 960 Menschen starben. Nach einem längeren beruflichen Aufenthalt auf den Philippinen landet eine vierköpfige Familie auf dem Frankfurter Flughafen. Der Vater zeigt Symptome, die auf eine Marphili-Infektion schließen lassen. Jetzt schlägt die Stundeder Marburger Wissenschaftler, die schließlich auch zuvor bereits das Virus identifiziert haben und Experten auf dem Gebiet der hochgefährlichen Viren sind. Bei einer Pressekonferenz stehen die Forscher nach Laboruntersuchungen Rede und Antwort.
Mit viel Begeisterung schlüpften die von einer Lehrerin begleiteten Schüler des Gymnasiums Philippinum und der Martin-Luther-Schule in die ungewohnten Rollen der Virus-Experten. Dabei entwickelte sich eine spannende Frage- und Antwortrunde. Denn neben dem Reporter von der OP waren auch einige Schüler als Journalisten eingeteilt. Auch sie fühlten ihren beiden Mitschülern Debi Abdel Rahman und David Hilberg sowie dem studentischen Teamer Sandro Halwe, die auf dem Podium saßen, auf den Zahn.
Wird auch wirklich alles getan, um Impfstoffe in ausreichender Menge zu entwickeln? Wie gefährlich ist das Virus wirklich? Das waren nur einige der Fragen, auf die die „Forscher“ eine Antwort wissen mussten.
Nach der simulierten Fragerunde stellten sich die Schüler auch noch den Fragen der OP zum „Marphili“-Projekt.
Im Mittelpunkt standen unter anderem folgende Fragen: Wie leicht lassen sich Viren übertragen? Durch welche Substanzen lässt sich das Virus inaktivieren? Wie können Patientenproben diagnostiziert werden? „Es war sehr informativ und hat viel Spaß gemacht“, erklärte David Hilberg.
Neben Vorlesungen gehörte auch viel Laborarbeit zu dem, was die Schüler im Virologie-Institut erlebten. Besonders schön sei dabei das gute Betreuungsverhältnis gewesen, freute sich der Schüler. Zudem hätten sie auch ganz praktische Einblicke in das Berufsfeld der virologischen Forschung erhalten, ergänzte Debi Abdel Rahman.
Dabei habe er festgestellt, dass ein Großteil der Arbeit aus Warten bestehe. Ein einziger Fehler könne schnell die Arbeit eines ganzen Tages zunichte machen. Nach dem ersten Durchgang
gab es dann noch eine zweite zweitägige Runde, bei der weitere Schüler bei der „Marphili-Simulation“ mitmachten.
Die Oberstufenschüler hatten sich im Unterricht des Leistungskurses Biologie darauf vorbereitet. Schon seit einigen Jahren wird diese Simulation immer in den Sommerferien am Virologie-Institut der Uni Marburg angeboten. Instituts-Direktor Professor Stephan Becker hat das Projekt ins Leben gerufen. Übergreifendes Ziel ist es, den Schülern Einblicke in die Arbeit der Virologen zu bieten.
In der Zusammenarbeit mit heimischen Schulen wollen die Forscher auch dazu beitragen, auf die Bedeutung von Infektionskrankheiten hinzuweisen.

Quelle: Oberhessische Presse


Bericht zum Projekt Marphili-Simulation von Michael Klüver (Institut für Virologie):

[04.09.2016] Schüler der Martin-Luther-Schule in Marburg simulierten Ernstfall und übernahmen die Rolle der Virologen.

Ein neuartiges tödliches Virus verbreitet sich rasant in Südostasien und die Menschen sind weltweit beunruhigt. Wie reagiert man als Virologe  auf  eine  solche  Bedrohung und wie informiert man angemessen Medien und Bevölkerung ohne Panik zu verbreiten? Das lernten Schüler der Sekundarstufe 2 in einem zweitägigen Praktikum am Institut für Virologie in Marburg.
Wir schreiben das Jahr 2020. Im Norden der Philippinen ist eine neuartige Viruserkrankung ausgebrochen, die mit grippe-ähnlichen Symptomen, wie Schnupfen, Husten, Fieber einhergeht Es kommt auch zu schweren Verläufen, die mit Lungenentzündung und Multi-Organversagen zum Tod führen können. Innerhalb eines halben Jahres ist die Zahl der Fälle bereits auf etwa 1400 gestiegen, von denen über 1000 verstorben sind. Das entspricht einer Todesrate von etwa 70%. Das Virus hat sich bereits in ganz Südostasien verbreitet, sodass auch in Deutschland die Angst vor einer Marphili-Virus-Epidemie zunimmt. Die Zeitungen sprechen bereits vom nächsten „Super-Virus.“
Aktuellen Anlass zur Sorge gibt nun eine Deutsche Familie, die von den Philippinen zurückkehrt und am Flughafen Frankfurt landet. Der Vater, der dort in der Entwicklungshilfe tätig war, zeigt Marphili-Virus-ähnliche Symptome und sein Gesundheitszustand hat sich während des Fluges stark verschlechtert. Aus diesem Grund wird die Familie auf der Isolierstation im Universitätsklinikum Frankfurt untergebracht. Blutproben werden zur Diagnostik an das Institut für Virologie in Marburg geschickt.
Vor diesem Hintergrund war es nun die Aufgabe der Schüler, in die Rolle eines Virologen zu schlüpfen und folgende Fragen zu klären: „Ist die Familie mit Marphili-Virus infiziert und hat damit das Marphili-Virus Deutschland erreicht? Wie gefährlich ist das Virus und wie kann es gestoppt werden? Und vor allem: Wie informiert man die Presse und die Bevölkerung ohne die Menschen in Panik zu versetzen?
In einem zweitägigen Praktikum am Institut für Virologie in Marburg konnten die Schüler erfahren, wie sich eine solche Situation anfühlt. Sie führten selbst Versuche mit den „Patienten-Proben“ durch, benutzten aktuelle diagnostische Methoden wie PCR und ELISA, testeten wie Viren per Schmierinfektion schon beim Händeschütteln übertragen werden können und mit welchen Mitteln das Marphili-Virus zerstört werden kann.
Auf der abschließenden Pressekonferenz informierten die Schüler Presse und Öffentlichkeit über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen. Nele Rößer klärte zunächst über die Hintergründe der Virus-Erkrankung und die Deutsche Familie auf und berichtete „dass die Mitreisenden aus dem Flugzeug bereits informiert wurden und weiter beobachtet werden.“ Die Schüler kommen zu dem Schluss: „Der Vater ist mit dem Marphili-Virus infiziert.“ Das Marphili-Virus hat also tatsächlich Deutschland erreicht. Es zeigt sich jedoch, dass auch die übrigen Familien-Mitglieder die Krankheit durchgemacht haben, jedoch nicht ernsthaft krank wurden. Die „Dunkelziffer liegt also deutlich höher“, so Jannik Witte.
Es haben sich deutlich mehr Menschen mit dem Marphili-Virus infiziert, als die bisher diagnostizierten 1400 Fälle. Das bedeutet, aber auch, dass die Rate der Menschen, die daran versterben, deutlich geringer als 70% ist. Daher kann nicht von einem neuen Super-Virus gesprochen werden. Witte rät aber von Reisen in die betroffenen Gebiete ab. Rößer versichert zudem, dass bereits mit Arbeiten an Impfstoffen und Behandlungsmöglichkeiten begonnen wurde.
Bleibt die Frage, was nehmen die Schüler aus dieser Simulation mit? Sie lernen das Fachgebiet Virologie kennen, lernen wie der Alltag der Virologen aussieht, aber auch wie wichtig es ist, in solchen Situationen angemessen zu reagieren und die Presse und die Öffentlichkeit richtig zu informieren. Diese Kommunikation liegt auch Institutsleiter Prof. Dr. Stephan Becker und den Virologen Marc Ringel, Michael Klüver, Cornelius Rohde und Vanessa Heinecke, die das Projekt betreuten sehr am Herzen. Die Marphili-Simulation, die von der DFG im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1021 gefördert wird, soll das Interesse der Schüler an Naturwissenschaften und am Fachgebiet Virologie wecken. Darüber hinaus soll sie aber den Schülern, deren Familien und Freunden einen Einblick in die Arbeit der Virologen ermöglichen und der Öffentlichkeit helfen, neue Bedrohungslagen besser zu verstehen.