Marburger Forscher entwickeln Ebola-Hemmstoff

SAT.1 LIVE am 20. Februar 2018 in Hessen, Wissenschaft

Marburger Forscher entwickeln Ebola-Hemmstoff

Viele von Ihnen erinnern sich sicher noch an die Ebola-Epidemie vor vier Jahren. Die Ausbreitung des Ebola-Fiebers in Westafrika war weltweit Thema. Und auch bei uns war, zum Beispiel dem Frankfurter Flughafen, besondere Vorsicht geboten. Mehrere Zehntausend Menschen sind in Westafrika an Ebola erkrankt, eine Virusinfektion, die nicht geheilt werden kann und tödlich endet. Lange waren die Ärzte hilflos. Doch das könnte sich bald ändern. Marburger Forscher sehen Grund zur Hoffnung.

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Forscher tricksen gefährliches Virus aus

Künstlicher Hemmstoff „made in Marburg“ soll zur Entwicklung eines Ebola-Heilmittels beitragen.

Marburger Virologen um  Professor Stephan Becker  wollen ein Arzneimittel  gegen das lebensgefährliche  Ebolavirus entwickeln. 

Marburg.
Ein künstlich hergestellter  Hemmstoff bremst  die Vermehrung des Ebolavirus.  Er könnte zudem in absehbarer  Zeit die Entwicklung eines Heilmittels  ermöglichen, das gegen  die lebensbedrohliche Ebolaseuche  hilft. Das hofft die dafür  verantwortliche Forschungsgruppe  europäischer Wissenschaftler  unter Beteiligung von  Marburger Virologen. Für den  Marburger Ebola-Forscher Professor  Stephan Becker war der  Ausbruch der Seuche im Jahr  2014 in Westafrika ein bedrückendes  Ereignis. Bei der bisher  weltweit schlimmsten Ebola-Epidemie starben zwischen  2014 und 2016 insgesamt 11 000  Menschen in Afrika.
„Gefühlt war es zunächst einmal  wie eine Niederlage“, erklärt  Becker im Gespräch mit  der OP. „Wir hatten jahrelang  in Sachen Ebolavirus gearbeitet  und wir haben es dann trotzdem  nicht geschafft, den Ausbruch  zu verhindern.“ Die Niederlage  war aber ein Ansporn,  die Forschung zu intensivieren  (siehe Artikel unten).
Jetzt stellen die Forscher ihre  neuesten Arbeiten vor. Dabei  wurde das Virus daran gehindert,  ein Enzym der befallenen  Zellen für eigene Zwecke zu  benutzen. Das Team berichtete  in Fachmagazinen über die Ergebnisse. 

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Das wahrscheinlich von Fledermäusen  auf Menschen übertragene  Ebolavirus löst eine lebensbedrohliche  Fiebererkrankung  aus, die meist zum Tode  führt (siehe HINTERGRUND).  „Bislang gibt es kein Heilmittel  gegen den Erreger“, betont Becker. 
In einem Projekt des Deutschen  Zentrums für Infektionsforschung  (DZIF) tat sich Beckers  Marburger Arbeitsgruppe  mit Zellbiologen und Biochemikern  aus Dänemark und Irland  zusammen, um diese Forschungslücke  zu schließen.  Bisher wurde erst ein auch  beim Menschen einsetzbarer  Präventiv-Impfstoff entwickelt,  der verhindert, dass sich Angehörige  oder Pfleger von Ebola-Erkrankten bei ihnen anstecken  können. 
Die jetzt vorgelegte Studie  könnte nach Ansicht von Becker  aber in Kombination mit  weiteren geplanten Studien erfolgversprechende  neue Möglichkeiten  eröffnen, um Ebolaerkrankte  effektiv zu behandeln.  Neues Verfahren  der Bildgebung  „Das kann ein wichtiger Schritt  auf dem Weg zur Entwicklung  eines Heilmittels sein“, meinte  der Marburger Virologe im Gespräch  mit der OP. Jedoch könne  es noch bis zu zehn Jahre  dauern, bis dieses marktreif sei.  Weil Viren im Gegensatz zu  den Zellen von Menschen oder  Tieren nur über sehr wenige  Proteine verfügen, benötigen sie  die Hilfe von Proteinen der von  ihnen okkupierten Zellen, die  sie sich mit einigen Tricks auch  zu eigen machen. Das genauere  Verständnis der Interaktion an  der Schnittstelle von Viren und  Zellen stellt einen wichtigen  Ansatzpunkt für die mögliche  Medikamententwicklung dar. 
Im Mittelpunkt des Interesses  der Forscher aus Marburg, Dänemark  und Irland stand das  vireneigene Protein VP30. „Es  nimmt eine Schlüsselstellung in  der Vermehrung von Ebolaviren  ein“ erläutert Becker. Es fördere  entweder die Vermehrung des  Virenerbguts oder sorge dafür,  dass die Genprodukte in Proteine  übersetzt werden. 
Das Umschalten von der einen  Funktion auf die andere erfolge,  indem sich chemische Anhängsel  – in diesem Fall Phosphatgruppen  – an bestimmte Stellen  von VP30 anheften.
Becker und sein Team fanden  heraus, dass ein Enzym der Zelle  durch das Virus „gekidnappt“  wird. Man könnte das auch eine  Zwangsverheiratung nennen,  bei der sich ein weiteres Virusprotein  – das Nukleoprotein NP  – gewissermaßen als Kuppler  beteilige, erklärt Becker. 
Und das funktioniert so: Das  Nukleoprotein verkuppelt die  Phosphatgruppen der Zelle und  das Zielmolekül VP30, indem es  die beiden in räumlicher Nähe  zueinander platziert – wie einen  Tischherrn zu seiner Tischdame.  Für die zwei Partner gibt  es Kontaktstellen, die einander  benachbart liegen. Beide Partner  passen zu ihrer Kontaktstelle  auf dem Nukleoprotein wie  ein Stecker zur Steckdose. 
Mit dem Wissen um die Rolle  des „Kupplerproteins“ trickste  das Forschungsteam dann im  Labor das Virus aus. 
Mit Hilfe des Fachwissens von  Bioinformatikern verwendeten  die Forscher eine erprobte Methode  der Molekularbiologie  und erzeugten künstlich einen  molekularen Doppelgänger der  Kontaktstellen auf dem „Kuppler-Protein“, der das Andocken  des zellulären Enzyms verhinderte. 
Dieser „Doppelgänger“ sollte  in Ebolavirus-infizierte Zellen  eingebracht werden, um die  schädliche Interaktion zwischen  Zelle und Virus zu verhindern –  und tatsächlich vermehrte sich  das Virus eindeutig schlechter.  „Unsere Befunde zeigen,  dass der künstlich hergestellte  Hemmstoff die Infektion durch  das Ebolavirus unterdrückt“,  erläutert Beckers Mitarbeiterin  Dr. Nadine Biedenkopf. Damit  ein marktreifes Heilmittel entwickelt  werden kann, müssen  die jetzt noch auftretenden Nebenwirkungen  des Proteinaustauschs  ausgeschlossen werden. 
Denn der künstlich hergestellte  Hemmstoff hemmt neben der  Vermehrung des Virenerbguts  auch andere wichtige Prozesse  in der Zelle. Jetzt ist die Zusammenarbeit  der Virologen mit  Bioinformatikern und Spezialisten  aus der Medizinchemie gefragt. 
Um neue Hemmstoffe gegen  das Ebolavirus testen zu können,  hat Beckers Arbeitsgruppe  außerdem ein Bildgebungsverfahren  etabliert, mit dem sich  Bewegungen virenähnlicher  Partikel durch lebende Zellen  detailgenau verfolgen lassen.  „Auch hiermit soll die Schnittstelle  zwischen Virus und Zelle  auf mögliche Ziele für antivirale  Wirkstoffe untersucht werden“,  erläutert Becker. 


„Nicht erst dann reagieren, wenn es brennt“

Zur Ebola-Forschungsgruppe an der Uni Marburg gehören rund 20 Wissenschaftler in der Virologie.

Für die Forschungsarbeiten zum Ebolavirus haben Professor Stephan Becker und sein Team in den vergangenen Jahren umfassendes Know-how über die hochgefährlichen Viren zusammengetragen.

Marburg.
Becker leitet das Institut für Virologie der Philipps- Universität. Das Marburger Institut verfügt über eines der Labore mit dem höchsten Sicherheitsstandard in Europa, das für Studien an lebensgefährlichen Erregern wie Ebola- und Marburg-Virus die besten Voraussetzungen bietet.
Seit dem Ausbruch der Seuche in drei westafrikanischen Staaten stand die Ebola-Forschung im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund der Epidemie mit hunderten von Toten den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hatte.
„Es war die größte bekannte Ebolavirus-Epidemie und sie endete in Westafrikas erst im Jahr 2016, nachdem sie mehr als 11 000 Todesopfer gefordert hatte“, sagt der Marburger Virologe. Dass die Epidemie eingedämmt werden konnte, daran war er mit seinem Team ebenfalls beteiligt.
So war nach einer beispiellosen gemeinsamen Kraftanstrengung von Wissenschaftlern, Medizin und den Gesundheitsbehörden ein ursprünglich an der Uni Marburg entwickelter Ebola-Impfstoff im Schnellverfahren zur Marktreife gebracht worden. Becker setzte sich zusammen mit Kooperationspartnern aus Hamburg und Berlin vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung maßgeblich für ein schnelles Testverfahren ein. So konnte der bis dato nur in Tierexperimenten erprobte potenzielle Impfstoff schließlich einsatzfähig gemacht werden. Die Epidemie habe auch die Arbeit seines Forscherteams entscheidend verändert, sagt Becker. „Wir legen jetzt einen stärkeren Schwerpunkt auf die angewandte Forschung.“ Die werde neben der virologischen Grundlagenforschung immer wichtiger. Es gelte, für den Fall weiterer Ebola-Epidemien möglichst gut gerüstet zu sein. Eine Lehre aus der fieberhaften Suche nach einem Impfstoff sei es auch, dass man künftig „nicht erst dann reagieren“ wolle, „wenn es brennt“, fasst der Marburger Virologe ein Fazit von Forschern aus der ganzen Welt zusammen. So sei es eines der Ziele der Ebola-Forschung, noch bessere und effektivere Impfstoffe oder sogar Heilmittel zu entwickeln. Allein an der Uni Marburg gehören zur AG von Becker, die sich wissenschaftlich mit dem Ebolavirus und dem verwandten Marburg-Virus befasst, rund 20 Forscher. Wie funktionieren die Viren? Warum machen sie krank? Das sind zwei Fragen, die im Fokus stehen. Gefördert werden die Forschungsarbeiten auch durch den Marburger Sonderforschungsbereich 1021 der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Quelle: Oberhessische Presse

50 Jahre Marburg-Virus

Mit Spezialmikroskop Erreger entdeckt. Professor Werner Slenczka war maßgeblich an der Identifizierung des Marburg-Virus‘ beteiligt. Vor 50 Jahren, im August 1967, ereignete sich der erste Ausbruch einer rätselhaften Epidemie in Marburg. Die zunächst als „Affenseuche“ bekannt gewordene Krankheit war vom Marburg-Virus verursacht worden.

Marburg.
Er gilt als Entdecker des Marburg-Virus‘: Der heute 82-jährige Wissenschaftler Werner Slenczka war im Jahr 1967 als Forscher am Uni-Institut für Virologie beschäftigt. Dass das Marburg-Virus – der Verursacher der erstmals vor 50 Jahren in Marburg aufgetretenen hochgefährlichen Krankheit – so schnell identifiziert worden sei, sei auch das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit gewesen, sagte Slenczka im Gespräch mit der OP.
Doch Slenczka hatte damals eine ganze Menge mit dem Erfolg zu tun. Als Ende August 1967 die ersten Zeitungsberichte über die Erkrankungen von mehreren Mitarbeitern der Marburger Behring-Werke veröffentlicht wurden, befand sich der damals 33-Jährige zusammen mit seiner Familie im Urlaub auf der Nordseeinsel Baltrum, den er auch regulär Anfang September beendete.
Als Slenczka wieder nach Marburg zurückgekehrt war, herrschte dort Ausnahmezustand, und es hatte eine fieberhafte Suche nach dem Auslöser für die bisher völlig unbekannte Krankheit begonnen, die neben vielen weiteren Symptomen mit hämorraghischem Fieber und damit verbundenen starken äußeren Blutungen einherging.
„Die Leute waren alle bedrückt. Zwei Patienten waren schon gestorben. Bereits beim Frühstück hörten wir Martinshörner und dachten, dass schon wieder neue Patienten eingeliefert werden“, erinnert sich Slenczka.
Die Suche nach dem Erreger war zunächst nicht Slenczkas Aufgabe gewesen. Denn nominell war er im Virologie-Institut im Lahntal als Forscher beschäftigt, und zunächst waren die Mediziner aus der Krankenversorgung dafür zuständig.
Slenczka hatte mitbekommen, dass sich die Wissenschaftler bisher vergeblich um eine Identifikation des Erregers bemüht hatten. Sie hatten versucht, Meerschweinchen mit dem potenziellen Erreger zu infizieren und damit zu Ergebnissen zu kommen.
Doch die damals herkömmlichen Methoden führten in die Sackgasse, und so schlug Slenczka den Einsatz der Immunfluoreszenz vor, bei der unter dem UV-Mikroskop kleinste Zellstrukturen mit leuchtender grüner Farbe markiert wurden. Er erhielt von seinem Chef Professor Rudolf Siegert die Genehmigung zu Untersuchungen von unterschiedlichen Blutproben (Seren).

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Am 20. Oktober 1967 kam der Durchbruch
Schließlich gelang es Slenczka am 20. Oktober, in der Blutprobe eines der infizierten Tiere einen Einschlusskörper in einer Zelle nachzuweisen, der seiner Einschätzung zufolge eindeutig auf einen Virus hindeutete. Er war sich ganz sicher, dass er bei der Suche nach dem Erreger erfolgreich gewesen war, wie er 50 Jahre später im Gespräch mit der OP erzählt. Die endgültige Bestätigung kam kurze Zeit später: Eingesandt wurde die fixierte Blutprobe an das Tropeninstitut in Hamburg, das über ein deutlich besseres Elektronenmikroskop und größeres Knowhow in der Analyse verfügte. Drei Tage später wurde dann das Marburg Virus in Hamburg unter dem Mikroskop von dem dortigen Institut-Mitarbeiter, Dr. Günther Müller, zum ersten Mal weltweit beobachtet und dokumentiert.
Offiziell als Marburg-Virus benannt wurde das Virus dann nach einem wissenschaftlichen Symposium in Marburg im Jahr 1970. Somit waren die Marburger Forscher um Werner Slenczka schneller und erfolgreicher als die Kollegen aus Frankfurt, Freiburg, Salis bury (England), Atlanta (USA) und Belgrad.
Für Slenczka beeinflusste das Marburg-Virus auch seinen weiteren akademischen Karriereweg. Er habilitierte sich und wurde Professor.
Von 1985 bis zu seiner Pensionierung 2000 war er stellvertretender Leiter des Marburger Uni-Institutes für Virologie. Obwohl der Mitentdecker des Marburg-Virus‘ bis heute als einer der gefragtesten Experten zum Thema gilt, hatte dieser Erfolg auch seine Schattenseiten, auch weil Slenczka es beispielsweise schwer hatte, weil die Arbeit mit dem Marburg-Virus ab 1980 teilweise verboten war, weil es in Marburg kein Hochsicherheitslabor gab.

Wieso irritiert Virus das Immunsystem?
Die Grundlagenforschung zu dem Erreger beschäftigt Forscher auf den Lahnbergen nach wie vor.

Das Marburg-Virus wird auch heute noch an der Marburger Universität erforscht.

Marburg.
Die großen Schlagzeilen von einst über die tödlichen Auswirkungen der durch den Marburg-Virus ausgelösten hochgefährlichen Erkrankung mitten in Marburg sind längst Vergangenheit. Doch auch 50 Jahre später beschäftigt das Marburg-Virus die Virologen an der Marburger Universität immer noch.
„Die Geschichte des Marburg-Virus‘ ist total wichtig und hat die Forschungs-Ausrichtung unseres Institutes entscheidend geprägt“, erläutert Professor Stephan Becker, der derzeitige Instituts-Direktor, im Gespräch mit der OP. Auch der Bau des BSL-4-Hochsicherheitslabors auf den Lahnbergen geht letztendlich zurück auf die Beschäftigung der Marburger Wissenschaftler mit dem Marburg-Virus und verwandten Filoviren wie dem Ebola- Virus. Die dadurch gewonnene Expertise trug dazu bei, dass Forscher um Professor Becker entscheidend mithalfen, dass in den vergangenen Monaten nach der Ausrufung des weltweiten Gesundheitsnotstands in Sachen Ebola Epidemie ein wirksamer Impfstoff gefunden und getestet wurde. Schon früh hat sich Stephan Becker wissenschaftlich mit dem Marburg-Virus beschäftigt. Auch in seiner Habilitationsarbeit ging es um den Marburg-Virus. „Wir haben noch immer nicht den Mechanismus verstanden, der das Immunsystem außer Rand und Band geraten lässt“, sagt Becker. Nach wie vor will der Marburger Virologe die Frage klären, wie es dazu kommt, dass die Viren so gefährlich sind. So viel weiß die Forschung heutzutage, dass wahrscheinlich vor allem die überschießende Immunantwort der Zellen auf die Virus-Angriffe zu der Erkrankung führt. Neben der Grundlagenforschung konzentrieren sich die Marburger Virologen aber auch darauf, einen in klinischen Studien getesteten „Marburg Virus“-Impfstoff bis zur Einsatzfähigkeit am Menschen zu entwickeln. Als einen Baustein auf diesem Weg sieht Becker die Gründung der Sektion „Emerging Infections“ im 2011 gegründeten deutschen Zentrum für Infektionsforschung. Als Assistent von Professor Werner Slenczka, dem Mitentdecker des Marburg-Virus‘, hat Becker überlebende Patienten daraufhin untersucht, wie ihr Immunsystem funktioniert. In Gesprächen mit ihnen bekam er ein Gefühl dafür, wie sich die Erkrankung damals auf ihr Umfeld auswirkte und es bei ihnen zu sozialer Isolation kam. „Sie haben erzählt, dass sie keinen Kontakt mehr zu den Nachbarn gehabt hatten und mit ihren Kindern niemand mehr spielen wollte“, berichtet Becker.
Die Erinnerung an den Ausbruch des Marburg-Virus‘ wollen die Forscher auch durch die künstlerische Gestaltung der Fassade des Hochsicherheitslabors auf den Lahnbergen hochhalten, dessen Außenhaut mit vergrößerten und künstlerisch verfremdeten Marburg-Viren verziert ist.

Quelle: Oberhessische Presse

Schüler stoppen „Marphili“-Epidemie

Simulationsexperiment am Institut für Virologie auf den Lahnbergen fand zum fünften Mal statt.

Wie reagiert man als Virologe im Krisenfall auf das Auftreten eines neuartigen Virus? Marburger Schüler gewannen anhand eines fiktiven Szenarios praktische Einblicke in die Labore des Uni-Instituts für Virologie.

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Marburg.
Bereits zum fünften Mal fand das Simulationexperiment für Schüler am Institut für Virologie statt. Halb spielerisch, halb ernst erforschten die Schüler das fiktive aber tödliche Virus „Marphili“, das dem Szenario zufolge im Jahr 2020 von den Philippinen nach Deutschland gekommen ist und sich schnell weltweit ausbreitet. Und so las sich das vorher von den Wissenschaftlern des Instituts festgelegte „Drehbuch“ der „Marphili“-Epidemie: Eine erkrankte deutsche Familie kehrt nach einem längeren Aufenthalt auf den Philippinen nach Deutschland zurück. Der Familienvater zeigte am Frankfurter Flughafen erste Symptome: Fieber, Gliederschmerzen und Atemschwierigkeiten, die auf eine Infektion mit dem „Marphili“-Virus schließen ließen. Wie musste jetzt weiter mit ihm und den weiteren Familienmitgliedern umgegangen werden und wie kann ein weiteres Ausbreiten der Krankheit verhindert werden? Darum ging es in dem „Marphili“-Projekt. Die Simulation dauerte zwei Tage. Schüler der Jahrgangsstufen elf und zwölf des Gymnasiums Philippinum und der Martin-Luther-Schule nahmen daran teil. Das Ziel des Projektes war es, den Teilnehmern unter möglichst realitätsnahen Bedingungen die Arbeit der Mediziner im Fall eines Epidemie-Verdachts beizubringen. So ging es beispielsweise darum, wie man ein Virus anhand von Blutproben im Labor diagnostiziert und charakterisiert.
Die Schüler berichteten der OP über ihre Erfahrungen. „Wir hatten verschiedene Aufgaben an den beiden Tagen. Als erstes mussten wir überprüfen, ob die Patienten, die gerade von den Philippinen zurückgekommen waren, überhaupt infiziert sind“, sagt Jakob Eickhoff. „Bei der Diagnose kann es vorkommen, die Symptome mit einem anderen Virus, das die gleichen Symptome verursacht, zu verwechseln“, ergänzt Saskia Weidenhübler. Auf die OP-Frage, warum er mitgemacht hat, antwortet der Zwölftklässler Jakob Eickhoff: „Ich habe schon öfters überlegt, als Laborant zu arbeiten und möchte jetzt natürlich so viel wie möglich darüber lernen. Die ganzen Untersuchungsmethoden, die wir hier gemacht haben, kommen auch sehr häufig in ganz unterschiedlichen Bereichen vor, zum Beispiel in der Krebsforschung.“
Unter Anleitung von Marburger Forschern erprobten die Schüler verschiedene Experimente und Tests im Labor, um zu lernen, wie Menschen durch das neuartige Virus angesteckt werden und wie man sich davor schützen kann. Im Anschluss an Theorie und Praxis im Hörsaal und im Labor fand auch noch eine simulierte Pressekonferenz statt, in der die Schüler sowohl die Rollen der Virus-Experten als auch die der Journalisten übernahmen.

Doktoranden als Betreuer
Experten aus der Pressestelle der Philipps-Universität hatten dabei im Vorfeld Hilfestellung gegeben. „Es wurde vermittelt, wie man mit der Öffentlichkeit umgeht, wie man auf die Fragen reagiert und wie man die Information richtig formuliert“, erzählt Cornelius Rohde. Er übernahm als Mitorganisator der „Marphili“-Simulation gleichzeitig auch die Rolle eines Journalisten.
Wie könnte das Virus sich weiterentwickeln? Wie hoch ist die Dunkelziffer der Infizierten? Gibt es bereits ein Medikament gegen das Virus? Oder verheimlicht die Pharmaindustrie die Entwicklung eines solchen Medikamentes, damit sie noch mehr Regierungsgelder bekommen könnte? Bei der Pressekonferenz wurden diese und andere teilweise auch provokativen und kuriosen Fragen kompetent von den „Forschern“ Vincent Buffler, Tom Winkler und Praktikumsbetreuer Michael Klüver beantwortet.
Die „Marphili“-Simulation wurde von den Doktoranden des Institut betreut: „Die Nachfrage nach dem Projekt ist sehr hoch und man sieht, dass die Schüler sehr motiviert sind, was uns sehr freut,“ zieht Cornelius Rohde als einer der Organisatoren eine positive Bilanz. Auch von den Schülern kamen insgesamt sehr positive Bewertungen des Projekts.

Quelle: Oberhessische Presse

Launch of the new seminar series: Young Scientists Symposium

In summer 2017 a new seminar series will be launched organized by PhD students and young Postdocs from the CRC 1021 especially addressing young researchers. The “Young Scientists Symposium“ is thought to create a platform for the next generation of researchers to build up their own scientific network, get new insights into state-of-the-art techniques and connect to other young scientists within and from outside the CRC 1021.

The first symposium in this series will take place on 13 July 2017

Wie Coronaviren Zellen umprogrammieren

Epigenetische Kontrollmechanismen der Genantwort der Wirtszelle bei Infektionen mit Coronavirus 229E

Interdisziplinäres Team der Universität Gießen identifiziert epigenetische Kontrollmechanismen der Genantwort der Wirtszelle bei Infektionen mit dem Coronavirus 229E

Nr. 61 • 28. April 2017
Pressemitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen

Coronaviren sind weltweit verbreitete wichtige Verursacher von humanen und tierischen Erkrankungen, insbesondere der  Atmungsorgane. Durch ihr großes Genom, das größte bekannte Genom aller RNA-Viren, können sie sich besonders vielfältig und schnell an neue Situationen anpassen. Wie bewerkstelligen die Coronaviren es, den zellulären Stoffwechsel so umzuprogrammieren, dass neue infektiöse Viruspartikel produziert werden? Und was sind die  molekularen Ursachen der unterschiedlichen Krankheitsverläufe durch verschiedene Coronavirus Infektionen? Ein interdisziplinäres Forscherteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)hat nun die Genantwort der Wirtszelle und ihre epigenetischen Kontrollmechanismen entschlüsselt.

Die vier bekannten humanen Coronaviren, zu denen auch das in der Studie untersuchte Coronavirus 229E gehört,  verursachen überwiegend relativ milde verlaufende und vorübergehende Infektionen der oberen Luftwege. „Infektionen mit den ähnlich aufgebauten verwandten zoonotischen Coronaviren SARS-CoV und MERS-CoV hingegen können zu schwersten Lungenentzündungen bis hin zum Lungenversagen führen, wenn diese Viren aus dem Tier in einen menschlichen Wirt wechseln“, so Prof. Dr. John Ziebuhr, Virologe an der JLU. Wie alle Viren benötigen auch Coronaviren einen geeigneten Wirt, um sich zu vermehren. Nach dem Eindringen in spezifische Wirtszellen wird das Coronavirus-Genom im Zytoplasma infizierter Zellen freigesetzt und dort vermehrt. In den erkrankten Organen finden sich vermehrt Botenstoffe des angeborenen Immunsystems, insbesondere sogenannte Zytokine, und entzündliche Veränderungen. Basierend auf ihrer Expertise in der Analyse molekularer Entzündungsvorgänge haben  Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Pharmakologie nun in Zusammenarbeit mit Kollegen/innen aus der Virologie, der Biochemie und der Genetik die molekularen Vorgänge in den infizierten Zellen systematisch erfasst.

Bioinformatische Analysen zeigten, dass das virusregulierte Genspektrum vermutlich deutlich komplexere biologische Funktionen steuert, als das einer nur entzündlich aktivierten Zelle. Um besser zu verstehen, wie ein im Zytoplasma replizierendes Virus so umfassend die Genomfunktionen einer Wirtszelle beeinflussen kann, kartierten die Forscherinnen und Forscher fünf epigenetische „Fingerabdrücke“ der DNA-Hüllproteine (den Histonen). „Wir haben über tausend durch Coronaviren aktivierte DNA-Elemente, sogenannte Enhancer, gefunden, die ein eigenes Muster  bilden und offenbar dafür sorgen, dass nur ganz bestimmte Gene des Zellstoffwechsels so aktiviert werden, dass sie dem Virus nützen. Gleichzeitig werden andere DNA Bereiche im Zellkern abgeschaltet oder ihre Aktivität gedämpft – offenbar um Genprodukte, die die Zellen schützen oder andere Immunzellen anlocken könnten, zu blockieren“, erklärt Marek Bartkuhn, Genetiker und Bioinformatiker an der JLU. Coronaviren führen also zu einer genomweiten Reprogrammierung von Funktionen im Zellkern.

In einem weiteren Ansatz unterbrachen die Forscherinnen und Forscher die Signalwege, die zur Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB, einem zentralen genetischen Schalter von Immunvorgängen, führen und untersuchten die Konsequenzen sowohl für die Virusreplikation als auch für die Wirtszellfunktionen. So konnten sie zeigen, dass Coronaviren die Aktivität dieses wichtigen Faktors deutlich hemmen – wodurch eine mögliche Abwehrreaktion der Wirtszelle abgeschwächt wird –, aber nicht komplett aufheben. Dadurch bleiben bestimmte Zellfunktionen noch erhalten, die das Virus offenbar braucht.

„Diese Daten sind ein sehr interessantes Beispiel dafür, wie clever Mikroben die Balance von intrazellulären Signalwegen beeinflussen, um sich einen Vorteil zu verschaffen“, sagt Prof. Dr. Lienhard Schmitz vom Biochemischen Institut der JLU, der schon seit Jahren zusammen mit dem Leiter der Studie, dem Pharmakologen Prof. Dr. Michael Kracht vom Rudolf-Buchheim-Institut für Pharmakologie der JLU, das NF-κB-System molekular untersucht. „Wir haben im Rahmen dieser Untersuchungen einerseits besser verstanden, wie ein Coronavirus mechanistisch funktioniert“, so Prof. Kracht. „Zum anderen haben wir mit Hilfe von pharmakologischen Substanzen und neuen genetischen Methoden wie der RNA-Interferenz und der Genschere Crispr/Cas9 auch Wege gefunden, die Coronavirus-spezifischen Gene gezielt zu hemmen.“

Diese Ansätze sollen nun im Rahmen der neuen klinischen Forschergruppe (KFO 309 „Virus-induziertes Lungenversagen – Pathobiologie und neue Therapiestrategien“), die sich mit Virusinfektionen der Lunge beschäftigt, in krankheitsnäheren Situationen weiterentwickelt werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen, dass man in Zukunft das Ausmaß der Zellschädigung bei einer Coronavirus-Infektion anhand der Gensignatur voraussagen und dann mit Medikamenten, die im Zellkern angreifen, die weitere Aktivierung dieser Gene verhindern kann.

Prof. Kracht hebt die intensive Zusammenarbeit der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hevor: „Nur die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsverbünde TRR81 ‚Chromatin changes in differentiation and malignancies‘  und SFB1021 ‚RNA viruses: RNA metabolism, host response and pathogenesis‘ bündeln die für ein derartig aufwändiges Projekt notwendige biomedizinische Expertise, stellen die Plattformen an wissenschaftlichen Methoden bereit und ermöglichen uns so eine internationale Sichtbarkeit in diesem Forschungsbiet.“

Publikation:
Poppe M, Wittig S, Jurida L, Bartkuhn M, Wilhelm J, Muller H, Beuerlein K, Karl N, Bhuju S, Ziebuhr J, Schmitz ML, Kracht M. 2017: The NF-κB-dependent and -independent transcriptome and chromatin landscapes of human coronavirus 229E-infected cells.
PLoS Pathog 13:e1006286. DOI: 10.1371/journal.ppat.1006286
Online: http://journals.plos.org/plospathogens/article?id=10.1371/journal.ppat.1006286

Weitere Informationen:
www.uni-giessen.de/cms/rbi

Kontakt:
Prof. Dr. Michael Kracht
Rudolf-Buchheim-Institut für Pharmakologie
Biomedizinisches Forschungszentrum Seltersberg (BFS)
Schubertstraße 81, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-47600/-39740

Quelle: Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon: 0641 99-12041

SFB 1021 unterstützt Jahrestagung der GfV

Zahlreiche Mitglieder unseres Sonderforschungsbereichs haben die Ergebnisse aus ihren Projekten präsentiert.

Vom 22.03. bis 25.03.2017 fand die 27. Tagung der Gesellschaft für Virologie im Audimax der Philipps-Universität Marburg mit 1000 Teilnehmern statt.

Pressemitteilung Philipps-Universität Marburg, 14.03.2017

Pressemitteilung Philipps-Univeristät Marburg, 29.03.2017

Globale Gesundheit hat größte Bedeutung – ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin

Bundeskanzlerin Angela Merkel im Gespräch mit Cornelius Rohde (Institut für Virologie, Marburg)

Die Kanzlerin bekennt sich zum Ziel der UN-Agenda 2030, dass jeder Mensch ein Anrecht auf Gesundheitsversorgung hat. Sie setzt sich für die Entwicklung neuer Impfstoffe gegen Tropenkrankheiten ein und warnt vor dem Missbrauch von Antibiotika.

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18. Februar 2017

Die Fragen stellte Cornelius Rohde, Doktorand am Institut für Virologie der Philipps-Universität Marburg.

Cornelius Rohde:
Frau Bundeskanzlerin, für nächste Woche haben Sie zum 3. Internationalen Deutschlandforum eingeladen. Das Thema dieses Mal ist die globale Gesundheit. Durch Globalisierung sind Distanzen und Grenzen viel leichter zu überwinden. Dies galt auch für die Tropenkrankheit Ebola, die in den letzten Jahren weltweit tausende Menschen betroffen hat. Dabei waren Hilfsorganisationen wie die „Ärzte ohne Grenzen“ am Anfang oft auf sich alleine gestellt. Ist die deutsche Bürokratie hier zu schwerfällig, um schnell internationale Hilfe zu gewährleisten? Und was kann das Deutschlandforum beitragen?

Bundeskanzlerin Merkel:
Ja, ich freue mich erstmal, dass das Deutschlandforum wieder zu Gast ist. Das ist jetzt das dritte Mal, dass wir uns treffen, und diesmal auch das Thema Gesundheit auf die Tagesordnung gesetzt haben. In der Tat hat die Weltgemeinschaft –inklusive Deutschland –nicht ausreichend schnell reagiert, als Ebola auftrat, und „Ärzte ohne Grenzen“ und andere haben sich sehr alleine gefühlt. Und deshalb will ich auch noch mal sagen, was für einen herausragenden Beitrag sie damals geleistet haben. Wir haben dann sehr schnell überlegt: Was kann man machen, welche Lektionen kann man aus dieser Ebola-Krise ziehen? Ich habe dann 2015 einen Sechs-Punkte-Plan vorgestellt, und wir haben bei den Vereinten Nationen eine Initiative gestartet, mit der das Thema „Lessons learnt from Ebola“ auf die Tagesordnung gesetzt wurde, jetzt auch Maßnahmen ergriffen wurden. Ich selber bin auch zur WHO nach Genf gefahren, habe mich dort dafür eingesetzt, dass wir bessere Pandemiepläne haben. Und wir werden bei unserem G20-Treffen in diesem Jahr vorher ein Gesundheitsminister-Treffen haben, bevor sich die Staats- und Regierungschefs treffen. Auf diesem Gesundheitstreffen wird es auch eine Simulation geben: Wie kann man in Zukunft weltweit schneller darauf reagieren –von dem Bekanntwerden eines solchen Pandemieausbruchs bis dahin, dass dann auch internationale Hilfe zur Verfügung gestellt wird, zusammen mit der WHO, zusammen mit der Weltbank, zusammen mit den Vereinten Nationen; so dass ich hoffe, dass wir in Zukunft besser gerüstet sind.

Vernachlässigte Tropenkrankheiten haben oft eines gemeinsam: Es gibt keine Impfstoffe dagegen. Ein Grund hierfür ist, dass diese Krankheiten meistens in Ländern auftreten, in denen sich die Bevölkerung keine teuren Medikamente leisten kann. Laut WHO betrifft dies rund eine Milliarde Menschen weltweit. Was können Sie tun, damit Unternehmen in solche Impfstoffe investieren und wo liegen die Vorteile für uns Deutschen?

Wir haben dieses Thema bereits bei unserem G7-Treffen in Elmau auf die Tagesordnung gesetzt, wie ja insgesamt das Thema „globale Gesundheit“ –glaube ich –von allergrößter Bedeutung ist. Wir haben in den Entwicklungszielen für 2030 das sehr anspruchsvolle Ziel, dass jeder Bürger der Welt –egal welchen Alters –ein Anrecht auf Gesundheitsversorgung hat. Und da sind wir dann natürlich bei den ärmeren Ländern, wo gerade eben diese Tropenkrankheiten oft nicht gut behandelt werden können. Wir haben im Zusammenhang mit G7 eine Forschungsinitiative auf den Weg gebracht, um Unternehmen zu helfen, solche Impfstoffe zu entwickeln. Und daran werden wir auch entschieden weiterarbeiten. Und ich werde auch im Rahmen der G20-Präsidentschaft schauen, ob wir noch mehr Mitstreiter auf diesem Weg bekommen können. Wir Deutschen, das haben wir ja durch die Flüchtlinge gesehen, haben immer ein Interesse daran, dass Menschen anderswo vernünftig, gut leben können, um eben Fluchtursachen zu bekämpfen. Und da fällt für mich die Gesundheitsversorgung natürlich auch in dieses Gebiet.

Neben den Tropenkrankheiten rücken auch wieder vermehrt bakterielle Infektionen in die Schlagzeilen. Die Gründe hierfür sind Resistenzen gegen Antibiotika. Selbst Reserveantibiotika zeigen keine Wirkung mehr. War man sich hier zu sicher, alles im Griff zu haben, und wurde es versäumt, in Deutschland, was einmal als „Apotheke der Welt“ bezeichnet wurde, durch gezielte Förderung rechtzeitig neue Antibiotika zu entwickeln?

Ich habe mich im Vorfeld unserer G7-Präsidentschaft auch sehr intensiv mit Pharmaunternehmen unterhalten, wie das mit der Entwicklung neuer Antibiotika ist. Und habe dabei gelernt, dass die Entwicklung neuer Antibiotika ein sehr komplizierter Vorgang ist: dass man manchmal Zufallsfunde macht, aber dass man mit jedem Antibiotikum, was man hat, sehr sorgsam umgehen sollte, um die Resistenzen nicht zu schnell entstehen zu lassen. Und da sind wir dann bei dem zweiten Punkt: vorschriftsmäßige Einnahme der Antibiotika, keine zu häufige Einnahme von Antibiotika und der sogenannte Ein-Gesundheits-Ansatz von Mensch und Tier. Wir wissen, dass gerade in der Landwirtschaft in einigen Ländern der Welt noch sehr stark Antibiotika verabreicht werden, die dann auch wieder den Menschen erreichen. Und deshalb sind wir auch hier in Deutschland dabei, wirklich diese Gefahrenherde einzudämmen und wirklich uns bewusst zu sein: Antibiotika sind eine sehr große Entdeckung–jedes Mal –, und deshalb darf man nur sachgerecht mit ihnen umgehen.

In vielen Entwicklungsländern ist medizinische Versorgung nicht flächendeckend gewährleistet. Diese Problematik möchten Sie mit Hilfe von modernen Kommunikations-und Informationstechnologien beheben und somit einen Beitrag zur globalen Gesundheit leisten. Was kann die Bundesrepublik Deutschland konkret tun, um mit Hilfe solcher E-Health-Konzepte hier einen Beitrag zu leisten?

Wir können von deutscher Seite natürlich erst mal selber Vorbild sein. Wir haben ein solches Gesetz jetzt auf den Weg gebracht–für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Ich glaube, das kann sehr weiterführend sein; damit können wir auch anderen Ländern ein Beispiel geben. Hier geht es auf der einen Seite darum, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, also Gesundheitsdaten auch dazu zu verwenden, um zum Beispiel –anonymisiert–Muster zu erkennen und neue Produkte zu entwickeln. Auf der anderen Seite ist Gesundheit auch ein sehr sensibles Gebiet für den Datenschutz. Hier muss man jeweils die richtige Balance finden. Wir wissen, dass wir für die Behandlung weltweiter Gefährdungen und die Situation im Gesundheitsbereich die Digitalisierung sicherlich sehr gut werden nutzen können–und damit auch Chancen für Menschen in Afrika, die vielleicht sonst auch wenig Zugang zu Informationen haben, sehr verbessert werden können. Und deshalb bin ich der Meinung: Wir sollten die Chancen der Digitalisierung mehr sehen als die Risiken. Aber wir müssen uns natürlich auch mit Fragen des Datenschutzes intensiv auseinandersetzen.

Quelle: www.bundeskanzlerin.de