Warum der Grippe-Impfstoff immer wieder neu erfunden werden muss

Internationales Symposium zu RNA-Viren zieht Spitzenforscherinnen und -forscher nach Marburg.

Vom 19.-21. September 2018 treffen sich Spitzenforscherinnen und -forscher aus dem In-und Ausland in Marburg zu einem internationalen Symposium zu RNA-Viren, das von der klinischen Forschergruppe 309 „Virusinduzierte Lungenschädigung“ und dem Sonderforschungsbereich 1021 „RNA-Viren“ gemeinsam veranstaltet wird.
Mitveranstalter Prof. Dr. Stephan Becker von der Philipps-Universität Marburg erläutert die Bedeutung der Forschung an Viren: „Virusinfektionen gefährden die Gesundheit vieler Menschen weltweit, sie können oft nur schwer behandelt werden. So forderte zum Beispiel die Grippewelle des vergangenen Winters allein in Deutschland mehr als 1.500 Menschenleben.“
Im Mittelpunkt des Symposiums stehen die Erforschung neuer Aspekte der Vervielfältigung von Viren sowie die Lungenschädigung durch Viren – und mögliche Therapieansätze zur Heilung. Die Lungenfachärztin und Infektionsmedizinerin Prof. Dr. Susanne Herold, Ph.D., Professorin für Infektionserkrankungen der Lunge und Leitung des Schwerpunktes Infektiologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), betont die Bedeutung eines besseren Verständnisses der Heilungsprozesse nach Virusinfektionen: „Bislang verstehen wir nur in Ansätzen, wie Viren schwere Schädigungen im Organismus hervorrufen und welche Mechanismen schon während der Erkrankung die Regeneration des Gewebes einleiten. Die Erforschung dieser Prozesse ist notwendig, um die Heilungschancen zu vergrößern“.
In öffentlichen Vorträgen zum Auftakt des Symposiums werden am Mittwoch, 19. September 2018, ab 18 Uhr zwei Themen beleuchtet, die für die Behandlung von Viruserkrankungen bahnbrechend sein können:
Grippe-Forscherin Professorin Dr. Kanta Subbarao von der University of Melbourne (Australien) spricht über Impfstoffentwicklung gegen das Grippevirus und darüber, warum jedes Jahr ein neuer Grippe-Impfstoff entwickelt werden muss.
Der Immunologe Prof. Dr. James E. Crowe vom Vanderbilt University Medical Center in Nashville (USA) spricht über die Antwort des menschlichen Immunsystems auf die Infektion durch lebensbedrohliche Viren und wie diese Erkenntnisse zur Entwicklung von Therapien genutzt werden.

Die weiteren Vorträge des Symposiums finden am 20. und 21. September 2018 im Universitätsklinikum Marburg in der Baldingerstraße statt.

> Pressemitteilung Philipps-Universität Marburg

Neue Hepatitis-B-Spezies in Kapuzineraffen entdeckt

Dieter Glebe und Joachim Geyer beteiligt.

Justus-Liebig-Universität Gießen

Neue Hepatitis-B-Spezies in Kapuzineraffen entdeckt

Mittwoch, 20.06.2018
Evolution des Hepatitis-B-Virus: Studie eines internationalen Forscherteams um deutsche und brasilianische Wissenschaftler legt nahe, dass das Virus vor Millionen von Jahren mit Affen aus Afrika nach Südamerika gelangte.

Die Hepatitis-B ist eine der wichtigsten menschlichen Infektionskrankheiten. Eine neue Hepatitis-B-Virus-Spezies, die ein internationales Forscherteam in brasilianischen Kapuzineraffen entdeckt hat, wirft ein neues Licht auf die Evolution der Hepatitis-B-Viren (HBV) in Primaten. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch die Hepatitis-B-Viren ihren evolutionären Ursprung in nicht menschlichen Primaten haben – und zwar in den afrikanischen Vorfahren der südamerikanischen Affen, in denen sie vor Millionen von Jahren entstanden. Bislang gab es darauf keinen Hinweis. Die Studie wurde von den Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Jan Felix Drexler an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Prof. Dr. Dieter Glebe, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Hepatitis-B-und D-Viren am Institut für Medizinische Virologie am Fachbereich Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), gemeinsam mit Brasilianischen Wissenschaftlern konzipiert und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des virologischen Schwerpunktprogramms SPP 1596 und des Sonderforschungsbereichs SFB 1021 gefördert. Von der JLU ist zudem die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Joachim Geyer, Institut für Pharmakologie und Toxikologie am Fachbereich Veterinärmedizin, an der Studie beteiligt.

Hepatitis B ist eine Virusinfektion der Leber, die sowohl akute als auch chronische Erkrankungen verursachen kann. Rund 257 Millionen Menschen leben weltweit mit einer Hepatitis-B-Virusinfektion. Auslöser der Erkrankung ist das Hepatitis-B-Virus (HBV), das durch Kontakt mit dem Blut oder anderen Körperflüssigkeiten einer infizierten Person übertragen wird. Da sich das Virus nicht über die Luft verbreitet, muss es mit den Affen über Inseln im Atlantik von den damals noch näher zusammenliegenden Küsten von Westafrika nach Südamerika gelangt sein. Denn jüngste Forschungsergebnisse legen nahe, dass sich die heute in Südamerika verbreiteten Affenarten aus afrikanischen Vorfahren entwickelt haben. Das jetzt entdeckte Virus CMHBV in Kapuzineraffen (Capuchin Monkey) ist neben dem im Jahr 1998 beschriebenen WMHBV des Wollaffen (Woolly Monkey) erst die zweite in lateinamerikanischen Primaten isolierte HBV Spezies.

Parallel zu den Affen, aber zeitlich deutlich später, schleppten die Menschen vermutlich ihr eigenes Hepatitis-B-Virus nach (Süd-)Amerika ein. Sie gelangten über Sibirien, die jetzige Behringsee – vor der letzten Eiszeit noch ein Landweg – nach Nordamerika und später auch nach Südamerika.

Zu welcher Zeit, wo, und von wem HBV auf den anatomisch modernen Menschen übergesprungen ist, ist unklar. Es könnte von einer Fledermaus stammen, ein solches Virus Nr. 120 • 20. Juni 2018

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Quelle: FOCUS online

Dr. Nadine Biedenkopf erforscht antivirale Wirkung

Marburgerin mit „MarBiNa“-Förderpreis 2017 ausgezeichnet.

Die antivirale Wirkung des Naturstoffes Silvestrol hat in Tests Erfolge in der Behandlung von Virusinfektionen gezeigt. Für ihre Forschungsarbeit erhielt Dr. Nadine Biedenkopf den Förderpreis.

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Marburg.
Bereits seit 2014 vergibt die Initiative Biotechnologie- und Nanotechnologie den „MarBiNa“-Förderpreis für herausragende wissenschaftliche Leistungen junger Marburger Forscher in den Bereichen Biotechnologie und Nanotechnologie mit hohem wirtschaftlichem Praxisbezug. Getragen wird die Initiative von Wissenschaftlern aus der Region sowie von vielen auf den Gebieten Biotechnologie, Nanotechnologie und Pharmazie tätigen Unternehmen und der Universitätsstadt Marburg.
Für 2017 wird Dr. Nadine Biedenkopf für ihre Arbeit „Silvestrol als antivirales Mittel mit Breitbandwirkung“ mit dem Förderpreis ausgezeichnet. Die Preisträgerin arbeitet jeweils mit einer halben Stelle am Institut für Virologie der Philipps- Universität Marburg und im Projektmanagement am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung in Marburg. Biedenkopf erläuterte in ihrem Vortrag die Wirkung des Naturstoffs Silvestrol, der mittlerweile auch synthetisch hergestellt werden kann.
Selbst in niedriger Konzentration verfügt Silvestrol über starke antivirale Effekte.
Die Produktion der Eiweißstoffe des Virus‘ wird gehemmt, aber nicht die Produktion der Eiweißstoffe im Wirt blockiert. Diese Erkenntnisse können bei der Behandlung von Ebola und anderen Virusinfektionen von großer therapeutischer Bedeutung sein.

Quelle: Oberhessische Presse

Marburger Forscher entwickeln Ebola-Hemmstoff

SAT.1 LIVE am 20. Februar 2018 in Hessen, Wissenschaft

Marburger Forscher entwickeln Ebola-Hemmstoff

Viele von Ihnen erinnern sich sicher noch an die Ebola-Epidemie vor vier Jahren. Die Ausbreitung des Ebola-Fiebers in Westafrika war weltweit Thema. Und auch bei uns war, zum Beispiel dem Frankfurter Flughafen, besondere Vorsicht geboten. Mehrere Zehntausend Menschen sind in Westafrika an Ebola erkrankt, eine Virusinfektion, die nicht geheilt werden kann und tödlich endet. Lange waren die Ärzte hilflos. Doch das könnte sich bald ändern. Marburger Forscher sehen Grund zur Hoffnung.

Klicken Sie hier, um den Beitrag von SAT.1 LIVE ansehen zu können.

Forscher tricksen gefährliches Virus aus

Künstlicher Hemmstoff „made in Marburg“ soll zur Entwicklung eines Ebola-Heilmittels beitragen.

Marburger Virologen um  Professor Stephan Becker  wollen ein Arzneimittel  gegen das lebensgefährliche  Ebolavirus entwickeln. 

Marburg.
Ein künstlich hergestellter  Hemmstoff bremst  die Vermehrung des Ebolavirus.  Er könnte zudem in absehbarer  Zeit die Entwicklung eines Heilmittels  ermöglichen, das gegen  die lebensbedrohliche Ebolaseuche  hilft. Das hofft die dafür  verantwortliche Forschungsgruppe  europäischer Wissenschaftler  unter Beteiligung von  Marburger Virologen. Für den  Marburger Ebola-Forscher Professor  Stephan Becker war der  Ausbruch der Seuche im Jahr  2014 in Westafrika ein bedrückendes  Ereignis. Bei der bisher  weltweit schlimmsten Ebola-Epidemie starben zwischen  2014 und 2016 insgesamt 11 000  Menschen in Afrika.
„Gefühlt war es zunächst einmal  wie eine Niederlage“, erklärt  Becker im Gespräch mit  der OP. „Wir hatten jahrelang  in Sachen Ebolavirus gearbeitet  und wir haben es dann trotzdem  nicht geschafft, den Ausbruch  zu verhindern.“ Die Niederlage  war aber ein Ansporn,  die Forschung zu intensivieren  (siehe Artikel unten).
Jetzt stellen die Forscher ihre  neuesten Arbeiten vor. Dabei  wurde das Virus daran gehindert,  ein Enzym der befallenen  Zellen für eigene Zwecke zu  benutzen. Das Team berichtete  in Fachmagazinen über die Ergebnisse. 

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Das wahrscheinlich von Fledermäusen  auf Menschen übertragene  Ebolavirus löst eine lebensbedrohliche  Fiebererkrankung  aus, die meist zum Tode  führt (siehe HINTERGRUND).  „Bislang gibt es kein Heilmittel  gegen den Erreger“, betont Becker. 
In einem Projekt des Deutschen  Zentrums für Infektionsforschung  (DZIF) tat sich Beckers  Marburger Arbeitsgruppe  mit Zellbiologen und Biochemikern  aus Dänemark und Irland  zusammen, um diese Forschungslücke  zu schließen.  Bisher wurde erst ein auch  beim Menschen einsetzbarer  Präventiv-Impfstoff entwickelt,  der verhindert, dass sich Angehörige  oder Pfleger von Ebola-Erkrankten bei ihnen anstecken  können. 
Die jetzt vorgelegte Studie  könnte nach Ansicht von Becker  aber in Kombination mit  weiteren geplanten Studien erfolgversprechende  neue Möglichkeiten  eröffnen, um Ebolaerkrankte  effektiv zu behandeln.  Neues Verfahren  der Bildgebung  „Das kann ein wichtiger Schritt  auf dem Weg zur Entwicklung  eines Heilmittels sein“, meinte  der Marburger Virologe im Gespräch  mit der OP. Jedoch könne  es noch bis zu zehn Jahre  dauern, bis dieses marktreif sei.  Weil Viren im Gegensatz zu  den Zellen von Menschen oder  Tieren nur über sehr wenige  Proteine verfügen, benötigen sie  die Hilfe von Proteinen der von  ihnen okkupierten Zellen, die  sie sich mit einigen Tricks auch  zu eigen machen. Das genauere  Verständnis der Interaktion an  der Schnittstelle von Viren und  Zellen stellt einen wichtigen  Ansatzpunkt für die mögliche  Medikamententwicklung dar. 
Im Mittelpunkt des Interesses  der Forscher aus Marburg, Dänemark  und Irland stand das  vireneigene Protein VP30. „Es  nimmt eine Schlüsselstellung in  der Vermehrung von Ebolaviren  ein“ erläutert Becker. Es fördere  entweder die Vermehrung des  Virenerbguts oder sorge dafür,  dass die Genprodukte in Proteine  übersetzt werden. 
Das Umschalten von der einen  Funktion auf die andere erfolge,  indem sich chemische Anhängsel  – in diesem Fall Phosphatgruppen  – an bestimmte Stellen  von VP30 anheften.
Becker und sein Team fanden  heraus, dass ein Enzym der Zelle  durch das Virus „gekidnappt“  wird. Man könnte das auch eine  Zwangsverheiratung nennen,  bei der sich ein weiteres Virusprotein  – das Nukleoprotein NP  – gewissermaßen als Kuppler  beteilige, erklärt Becker. 
Und das funktioniert so: Das  Nukleoprotein verkuppelt die  Phosphatgruppen der Zelle und  das Zielmolekül VP30, indem es  die beiden in räumlicher Nähe  zueinander platziert – wie einen  Tischherrn zu seiner Tischdame.  Für die zwei Partner gibt  es Kontaktstellen, die einander  benachbart liegen. Beide Partner  passen zu ihrer Kontaktstelle  auf dem Nukleoprotein wie  ein Stecker zur Steckdose. 
Mit dem Wissen um die Rolle  des „Kupplerproteins“ trickste  das Forschungsteam dann im  Labor das Virus aus. 
Mit Hilfe des Fachwissens von  Bioinformatikern verwendeten  die Forscher eine erprobte Methode  der Molekularbiologie  und erzeugten künstlich einen  molekularen Doppelgänger der  Kontaktstellen auf dem „Kuppler-Protein“, der das Andocken  des zellulären Enzyms verhinderte. 
Dieser „Doppelgänger“ sollte  in Ebolavirus-infizierte Zellen  eingebracht werden, um die  schädliche Interaktion zwischen  Zelle und Virus zu verhindern –  und tatsächlich vermehrte sich  das Virus eindeutig schlechter.  „Unsere Befunde zeigen,  dass der künstlich hergestellte  Hemmstoff die Infektion durch  das Ebolavirus unterdrückt“,  erläutert Beckers Mitarbeiterin  Dr. Nadine Biedenkopf. Damit  ein marktreifes Heilmittel entwickelt  werden kann, müssen  die jetzt noch auftretenden Nebenwirkungen  des Proteinaustauschs  ausgeschlossen werden. 
Denn der künstlich hergestellte  Hemmstoff hemmt neben der  Vermehrung des Virenerbguts  auch andere wichtige Prozesse  in der Zelle. Jetzt ist die Zusammenarbeit  der Virologen mit  Bioinformatikern und Spezialisten  aus der Medizinchemie gefragt. 
Um neue Hemmstoffe gegen  das Ebolavirus testen zu können,  hat Beckers Arbeitsgruppe  außerdem ein Bildgebungsverfahren  etabliert, mit dem sich  Bewegungen virenähnlicher  Partikel durch lebende Zellen  detailgenau verfolgen lassen.  „Auch hiermit soll die Schnittstelle  zwischen Virus und Zelle  auf mögliche Ziele für antivirale  Wirkstoffe untersucht werden“,  erläutert Becker. 


„Nicht erst dann reagieren, wenn es brennt“

Zur Ebola-Forschungsgruppe an der Uni Marburg gehören rund 20 Wissenschaftler in der Virologie.

Für die Forschungsarbeiten zum Ebolavirus haben Professor Stephan Becker und sein Team in den vergangenen Jahren umfassendes Know-how über die hochgefährlichen Viren zusammengetragen.

Marburg.
Becker leitet das Institut für Virologie der Philipps- Universität. Das Marburger Institut verfügt über eines der Labore mit dem höchsten Sicherheitsstandard in Europa, das für Studien an lebensgefährlichen Erregern wie Ebola- und Marburg-Virus die besten Voraussetzungen bietet.
Seit dem Ausbruch der Seuche in drei westafrikanischen Staaten stand die Ebola-Forschung im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund der Epidemie mit hunderten von Toten den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hatte.
„Es war die größte bekannte Ebolavirus-Epidemie und sie endete in Westafrikas erst im Jahr 2016, nachdem sie mehr als 11 000 Todesopfer gefordert hatte“, sagt der Marburger Virologe. Dass die Epidemie eingedämmt werden konnte, daran war er mit seinem Team ebenfalls beteiligt.
So war nach einer beispiellosen gemeinsamen Kraftanstrengung von Wissenschaftlern, Medizin und den Gesundheitsbehörden ein ursprünglich an der Uni Marburg entwickelter Ebola-Impfstoff im Schnellverfahren zur Marktreife gebracht worden. Becker setzte sich zusammen mit Kooperationspartnern aus Hamburg und Berlin vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung maßgeblich für ein schnelles Testverfahren ein. So konnte der bis dato nur in Tierexperimenten erprobte potenzielle Impfstoff schließlich einsatzfähig gemacht werden. Die Epidemie habe auch die Arbeit seines Forscherteams entscheidend verändert, sagt Becker. „Wir legen jetzt einen stärkeren Schwerpunkt auf die angewandte Forschung.“ Die werde neben der virologischen Grundlagenforschung immer wichtiger. Es gelte, für den Fall weiterer Ebola-Epidemien möglichst gut gerüstet zu sein. Eine Lehre aus der fieberhaften Suche nach einem Impfstoff sei es auch, dass man künftig „nicht erst dann reagieren“ wolle, „wenn es brennt“, fasst der Marburger Virologe ein Fazit von Forschern aus der ganzen Welt zusammen. So sei es eines der Ziele der Ebola-Forschung, noch bessere und effektivere Impfstoffe oder sogar Heilmittel zu entwickeln. Allein an der Uni Marburg gehören zur AG von Becker, die sich wissenschaftlich mit dem Ebolavirus und dem verwandten Marburg-Virus befasst, rund 20 Forscher. Wie funktionieren die Viren? Warum machen sie krank? Das sind zwei Fragen, die im Fokus stehen. Gefördert werden die Forschungsarbeiten auch durch den Marburger Sonderforschungsbereich 1021 der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Quelle: Oberhessische Presse

50 Jahre Marburg-Virus

Mit Spezialmikroskop Erreger entdeckt. Professor Werner Slenczka war maßgeblich an der Identifizierung des Marburg-Virus‘ beteiligt. Vor 50 Jahren, im August 1967, ereignete sich der erste Ausbruch einer rätselhaften Epidemie in Marburg. Die zunächst als „Affenseuche“ bekannt gewordene Krankheit war vom Marburg-Virus verursacht worden.

Marburg.
Er gilt als Entdecker des Marburg-Virus‘: Der heute 82-jährige Wissenschaftler Werner Slenczka war im Jahr 1967 als Forscher am Uni-Institut für Virologie beschäftigt. Dass das Marburg-Virus – der Verursacher der erstmals vor 50 Jahren in Marburg aufgetretenen hochgefährlichen Krankheit – so schnell identifiziert worden sei, sei auch das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit gewesen, sagte Slenczka im Gespräch mit der OP.
Doch Slenczka hatte damals eine ganze Menge mit dem Erfolg zu tun. Als Ende August 1967 die ersten Zeitungsberichte über die Erkrankungen von mehreren Mitarbeitern der Marburger Behring-Werke veröffentlicht wurden, befand sich der damals 33-Jährige zusammen mit seiner Familie im Urlaub auf der Nordseeinsel Baltrum, den er auch regulär Anfang September beendete.
Als Slenczka wieder nach Marburg zurückgekehrt war, herrschte dort Ausnahmezustand, und es hatte eine fieberhafte Suche nach dem Auslöser für die bisher völlig unbekannte Krankheit begonnen, die neben vielen weiteren Symptomen mit hämorraghischem Fieber und damit verbundenen starken äußeren Blutungen einherging.
„Die Leute waren alle bedrückt. Zwei Patienten waren schon gestorben. Bereits beim Frühstück hörten wir Martinshörner und dachten, dass schon wieder neue Patienten eingeliefert werden“, erinnert sich Slenczka.
Die Suche nach dem Erreger war zunächst nicht Slenczkas Aufgabe gewesen. Denn nominell war er im Virologie-Institut im Lahntal als Forscher beschäftigt, und zunächst waren die Mediziner aus der Krankenversorgung dafür zuständig.
Slenczka hatte mitbekommen, dass sich die Wissenschaftler bisher vergeblich um eine Identifikation des Erregers bemüht hatten. Sie hatten versucht, Meerschweinchen mit dem potenziellen Erreger zu infizieren und damit zu Ergebnissen zu kommen.
Doch die damals herkömmlichen Methoden führten in die Sackgasse, und so schlug Slenczka den Einsatz der Immunfluoreszenz vor, bei der unter dem UV-Mikroskop kleinste Zellstrukturen mit leuchtender grüner Farbe markiert wurden. Er erhielt von seinem Chef Professor Rudolf Siegert die Genehmigung zu Untersuchungen von unterschiedlichen Blutproben (Seren).

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Am 20. Oktober 1967 kam der Durchbruch
Schließlich gelang es Slenczka am 20. Oktober, in der Blutprobe eines der infizierten Tiere einen Einschlusskörper in einer Zelle nachzuweisen, der seiner Einschätzung zufolge eindeutig auf einen Virus hindeutete. Er war sich ganz sicher, dass er bei der Suche nach dem Erreger erfolgreich gewesen war, wie er 50 Jahre später im Gespräch mit der OP erzählt. Die endgültige Bestätigung kam kurze Zeit später: Eingesandt wurde die fixierte Blutprobe an das Tropeninstitut in Hamburg, das über ein deutlich besseres Elektronenmikroskop und größeres Knowhow in der Analyse verfügte. Drei Tage später wurde dann das Marburg Virus in Hamburg unter dem Mikroskop von dem dortigen Institut-Mitarbeiter, Dr. Günther Müller, zum ersten Mal weltweit beobachtet und dokumentiert.
Offiziell als Marburg-Virus benannt wurde das Virus dann nach einem wissenschaftlichen Symposium in Marburg im Jahr 1970. Somit waren die Marburger Forscher um Werner Slenczka schneller und erfolgreicher als die Kollegen aus Frankfurt, Freiburg, Salis bury (England), Atlanta (USA) und Belgrad.
Für Slenczka beeinflusste das Marburg-Virus auch seinen weiteren akademischen Karriereweg. Er habilitierte sich und wurde Professor.
Von 1985 bis zu seiner Pensionierung 2000 war er stellvertretender Leiter des Marburger Uni-Institutes für Virologie. Obwohl der Mitentdecker des Marburg-Virus‘ bis heute als einer der gefragtesten Experten zum Thema gilt, hatte dieser Erfolg auch seine Schattenseiten, auch weil Slenczka es beispielsweise schwer hatte, weil die Arbeit mit dem Marburg-Virus ab 1980 teilweise verboten war, weil es in Marburg kein Hochsicherheitslabor gab.

Wieso irritiert Virus das Immunsystem?
Die Grundlagenforschung zu dem Erreger beschäftigt Forscher auf den Lahnbergen nach wie vor.

Das Marburg-Virus wird auch heute noch an der Marburger Universität erforscht.

Marburg.
Die großen Schlagzeilen von einst über die tödlichen Auswirkungen der durch den Marburg-Virus ausgelösten hochgefährlichen Erkrankung mitten in Marburg sind längst Vergangenheit. Doch auch 50 Jahre später beschäftigt das Marburg-Virus die Virologen an der Marburger Universität immer noch.
„Die Geschichte des Marburg-Virus‘ ist total wichtig und hat die Forschungs-Ausrichtung unseres Institutes entscheidend geprägt“, erläutert Professor Stephan Becker, der derzeitige Instituts-Direktor, im Gespräch mit der OP. Auch der Bau des BSL-4-Hochsicherheitslabors auf den Lahnbergen geht letztendlich zurück auf die Beschäftigung der Marburger Wissenschaftler mit dem Marburg-Virus und verwandten Filoviren wie dem Ebola- Virus. Die dadurch gewonnene Expertise trug dazu bei, dass Forscher um Professor Becker entscheidend mithalfen, dass in den vergangenen Monaten nach der Ausrufung des weltweiten Gesundheitsnotstands in Sachen Ebola Epidemie ein wirksamer Impfstoff gefunden und getestet wurde. Schon früh hat sich Stephan Becker wissenschaftlich mit dem Marburg-Virus beschäftigt. Auch in seiner Habilitationsarbeit ging es um den Marburg-Virus. „Wir haben noch immer nicht den Mechanismus verstanden, der das Immunsystem außer Rand und Band geraten lässt“, sagt Becker. Nach wie vor will der Marburger Virologe die Frage klären, wie es dazu kommt, dass die Viren so gefährlich sind. So viel weiß die Forschung heutzutage, dass wahrscheinlich vor allem die überschießende Immunantwort der Zellen auf die Virus-Angriffe zu der Erkrankung führt. Neben der Grundlagenforschung konzentrieren sich die Marburger Virologen aber auch darauf, einen in klinischen Studien getesteten „Marburg Virus“-Impfstoff bis zur Einsatzfähigkeit am Menschen zu entwickeln. Als einen Baustein auf diesem Weg sieht Becker die Gründung der Sektion „Emerging Infections“ im 2011 gegründeten deutschen Zentrum für Infektionsforschung. Als Assistent von Professor Werner Slenczka, dem Mitentdecker des Marburg-Virus‘, hat Becker überlebende Patienten daraufhin untersucht, wie ihr Immunsystem funktioniert. In Gesprächen mit ihnen bekam er ein Gefühl dafür, wie sich die Erkrankung damals auf ihr Umfeld auswirkte und es bei ihnen zu sozialer Isolation kam. „Sie haben erzählt, dass sie keinen Kontakt mehr zu den Nachbarn gehabt hatten und mit ihren Kindern niemand mehr spielen wollte“, berichtet Becker.
Die Erinnerung an den Ausbruch des Marburg-Virus‘ wollen die Forscher auch durch die künstlerische Gestaltung der Fassade des Hochsicherheitslabors auf den Lahnbergen hochhalten, dessen Außenhaut mit vergrößerten und künstlerisch verfremdeten Marburg-Viren verziert ist.

Quelle: Oberhessische Presse

Schüler stoppen „Marphili“-Epidemie

Simulationsexperiment am Institut für Virologie auf den Lahnbergen fand zum fünften Mal statt.

Wie reagiert man als Virologe im Krisenfall auf das Auftreten eines neuartigen Virus? Marburger Schüler gewannen anhand eines fiktiven Szenarios praktische Einblicke in die Labore des Uni-Instituts für Virologie.

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Marburg.
Bereits zum fünften Mal fand das Simulationexperiment für Schüler am Institut für Virologie statt. Halb spielerisch, halb ernst erforschten die Schüler das fiktive aber tödliche Virus „Marphili“, das dem Szenario zufolge im Jahr 2020 von den Philippinen nach Deutschland gekommen ist und sich schnell weltweit ausbreitet. Und so las sich das vorher von den Wissenschaftlern des Instituts festgelegte „Drehbuch“ der „Marphili“-Epidemie: Eine erkrankte deutsche Familie kehrt nach einem längeren Aufenthalt auf den Philippinen nach Deutschland zurück. Der Familienvater zeigte am Frankfurter Flughafen erste Symptome: Fieber, Gliederschmerzen und Atemschwierigkeiten, die auf eine Infektion mit dem „Marphili“-Virus schließen ließen. Wie musste jetzt weiter mit ihm und den weiteren Familienmitgliedern umgegangen werden und wie kann ein weiteres Ausbreiten der Krankheit verhindert werden? Darum ging es in dem „Marphili“-Projekt. Die Simulation dauerte zwei Tage. Schüler der Jahrgangsstufen elf und zwölf des Gymnasiums Philippinum und der Martin-Luther-Schule nahmen daran teil. Das Ziel des Projektes war es, den Teilnehmern unter möglichst realitätsnahen Bedingungen die Arbeit der Mediziner im Fall eines Epidemie-Verdachts beizubringen. So ging es beispielsweise darum, wie man ein Virus anhand von Blutproben im Labor diagnostiziert und charakterisiert.
Die Schüler berichteten der OP über ihre Erfahrungen. „Wir hatten verschiedene Aufgaben an den beiden Tagen. Als erstes mussten wir überprüfen, ob die Patienten, die gerade von den Philippinen zurückgekommen waren, überhaupt infiziert sind“, sagt Jakob Eickhoff. „Bei der Diagnose kann es vorkommen, die Symptome mit einem anderen Virus, das die gleichen Symptome verursacht, zu verwechseln“, ergänzt Saskia Weidenhübler. Auf die OP-Frage, warum er mitgemacht hat, antwortet der Zwölftklässler Jakob Eickhoff: „Ich habe schon öfters überlegt, als Laborant zu arbeiten und möchte jetzt natürlich so viel wie möglich darüber lernen. Die ganzen Untersuchungsmethoden, die wir hier gemacht haben, kommen auch sehr häufig in ganz unterschiedlichen Bereichen vor, zum Beispiel in der Krebsforschung.“
Unter Anleitung von Marburger Forschern erprobten die Schüler verschiedene Experimente und Tests im Labor, um zu lernen, wie Menschen durch das neuartige Virus angesteckt werden und wie man sich davor schützen kann. Im Anschluss an Theorie und Praxis im Hörsaal und im Labor fand auch noch eine simulierte Pressekonferenz statt, in der die Schüler sowohl die Rollen der Virus-Experten als auch die der Journalisten übernahmen.

Doktoranden als Betreuer
Experten aus der Pressestelle der Philipps-Universität hatten dabei im Vorfeld Hilfestellung gegeben. „Es wurde vermittelt, wie man mit der Öffentlichkeit umgeht, wie man auf die Fragen reagiert und wie man die Information richtig formuliert“, erzählt Cornelius Rohde. Er übernahm als Mitorganisator der „Marphili“-Simulation gleichzeitig auch die Rolle eines Journalisten.
Wie könnte das Virus sich weiterentwickeln? Wie hoch ist die Dunkelziffer der Infizierten? Gibt es bereits ein Medikament gegen das Virus? Oder verheimlicht die Pharmaindustrie die Entwicklung eines solchen Medikamentes, damit sie noch mehr Regierungsgelder bekommen könnte? Bei der Pressekonferenz wurden diese und andere teilweise auch provokativen und kuriosen Fragen kompetent von den „Forschern“ Vincent Buffler, Tom Winkler und Praktikumsbetreuer Michael Klüver beantwortet.
Die „Marphili“-Simulation wurde von den Doktoranden des Institut betreut: „Die Nachfrage nach dem Projekt ist sehr hoch und man sieht, dass die Schüler sehr motiviert sind, was uns sehr freut,“ zieht Cornelius Rohde als einer der Organisatoren eine positive Bilanz. Auch von den Schülern kamen insgesamt sehr positive Bewertungen des Projekts.

Quelle: Oberhessische Presse

Launch of the new seminar series: Young Scientists Symposium

In summer 2017 a new seminar series will be launched organized by PhD students and young Postdocs from the CRC 1021 especially addressing young researchers. The “Young Scientists Symposium“ is thought to create a platform for the next generation of researchers to build up their own scientific network, get new insights into state-of-the-art techniques and connect to other young scientists within and from outside the CRC 1021.

The first symposium in this series will take place on 13 July 2017